Judith sucht seit längerer Zeit eine Wohnung für sich und ihren 7jährigen Sohn. Sie ist in einer echten Notlage, ihre Miete für die kleine Altbauwohnung in einer deutschen Großstadt ist innerhalb kurzer Zeit explodiert. Ihr Verdienst als Teilzeitkraft in einem gastronomischen Betrieb reicht schon lange nicht mehr. Bisher hat sie diese Lücke noch über Ersparnisse ausgleichen können, aber nun gehen die Reserven zur Neige. Es wird eng.
Die freie Wohnung wäre der 6. im Lotto! Renoviert, ruhig gelegen, im gleichen Stadtteil und fußgängig zur Grundschule, in die Tim geht, ausreichend groß, hell und- vor allem – bezahlbar, einfach ideal! Aber bestimmt gibt es viele Interessenten, die das auch so sehen. Eine alleinerziehende Mutter mit einer Halbtagsstelle und überschaubaren Einkommen, die Gastro gilt in diesen Tagen auch nicht immer als krisenfest, und dann ist da auch noch der Hund…. Judith sammelt fleißig Argumente, die gegen sie sprechen und wird immer hoffnungsloser.
Als der Besichtigungstermin fest steht, ruft sie mich in der Praxis an. ….
Es gibt zahllose Beispiele, wie Menschen in Situationen kommen, in denen sie etwas dringend „brauchen“ und damit in die Abhängigkeit von anderen geraten. Dies führt zu einer denkbar ungünstigen Verknüpfung der inneren Balance, unserer Ausstrahlung und des Verhaltens.
Ein paar Beispiele:
Du suchst dringend eine neue, berufliche Aufgabe. Die Anzeige klang sehr verlockend und das Jobprofil würde genau zu Dir passen. Das Vorstellungsgespräch rückt näher und Du wirst täglich unsicherer.
Du willst Dich selbständig machen, brauchst Startkapital und weißt, Du musst den Herrn von der Bank von Deinem Konzept überzeugen, oder Du suchst eine passende Örtlichkeit für Deine Praxis oder den Laden, die bezahlbar ist, eine gute Lage hat und Parkmöglichkeiten bietet. Aber Du stehst eben noch am Anfang, Bilanzen der letzten Jahre kannst Du nicht vorlegen.
Es war schon immer Dein Wunsch, Dein Kind im örtlichen Waldkindergarten unterzubringen. Er hat ein tolles pädagogisches Konzept, das Essen ist hochwertig und er ist nur 10 Min von zuhause. Es gibt nur sehr wenige freie Plätze und man sagt, die Leiterin entscheide nicht nach Anmeldeliste, sondern lieber nach eigenen Sympathiekriterien.
Und schon ist es da, dieses Gefühl, von Wohl und Wehe eines anderen Menschen abhängig zu sein und futsch ist sie, die Souveränität. Stattdessen ist da ein Druck auf dem Magen und weiche Knie.
Viele Frauen verfallen hier in eine Haltung, mental wie auch körperlich, die genau diese Bedürftigkeit erkennen lässt. Sie zeigen sich hilflos, unterwürfig und beschwichtigend. Gesenkter Blick, hängende Schultern, vorgekippter Oberkörper, leicht gesenkter oder seitlich geneigter Kopf.
Auch erzählen sie gerne und detailliert von ihrer Notlage, von der Dringlichkeit, die sie antreibt und hoffen auf einen guten, wohlwollenden Menschen, der ihnen aus ihrer Notlage hilft und ihnen die Wohnung, den Kredit, den Kitaplatz zuspricht.
Das war wohl auch Judiths Strategie, als sie zu mir in die Praxis kam. Wir spielten einige Szenen der Besichtigung durch und da stand sie, unterwürfig, mit einem flehenden Blick und der Geschichte ihrer schwierigen Situation.
Viel Zeit hatten wir nicht, die Besichtigung sollte schon 2 Tage später sein.
Also bat ich sie, sich in die Situation des Maklers zu versetzen. Welche Art von Mieterin würde er wohl wollen? Eine bedürftige, unsichere Frau mit wenig Geld, wenig Selbstbewusstsein, die offenbar ihr Leben nicht so wirklich im Griff hatte? Die Probleme waren ja vorprogrammiert.
Oder eine selbstbewusste junge Frau, die ihr Leben mit Kind und Hund offensichtlich gut bewältigt bekam und trotz eines nicht üppigen Budgets voll Optimismus und Zuversicht ihren Alltag wuppte.
Judith verstand sofort, worauf ich hinaus wollte.
Sie entspannte sich, atmete einige Male tief durch und dachte nach. Dann lächelte sie und sagte: „Ok, nochmal das Ganze!“ Wir wiederholten die Szenen und sie war eine komplett andere. Eine Persönlichkeit, die Stärke und Selbstvertrauen ausstrahlte. Und sie fühlte sich auch sichtlich wohl.
Ich leitete sie an, diese Szenen mental noch mehrfach zu wiederholen. Dabei setzte sie mehrere Anker, um bestimmte Gefühlsmomente abrufbar zu haben.
Judith unterschrieb 5 Tage später den Mietvertrag. Sie hatte sich gegen 25 andere Interessenten durchgesetzt. Die Maklerin, eine Dame mittleren Alters, hatte ihr ohne Zögern den Zuschlag mit den Worten gegeben: „Ich finde es toll, wie Sie ihr Leben meistern und ich wünsche Ihnen, dass dieses neue Zuhause ihnen Glück bringt!“
Na, geht doch! 😉